Experten von Amnesty International zu Gast am ANGELL Gymnasium
Die dramatische Situation in Syrien rückt die Flüchtlingsproblematik wieder mehr ins Blickfeld der Öffentlichkeit, denn aktuell ist etwa ein Drittel der syrischen Bevölkerung auf der Flucht. Mehr als 4,25 Millionen Menschen sind als Binnenvertriebene innerhalb des Landes dringend auf humanitäre Hilfe angewiesen und mehr als 2,2 Millionen Flüchtlinge haben bereits Zuflucht in den Nachbarstaaten gesucht. Mit der alarmierenden Situation und mit den Herausforderungen, die sich daraus ergeben, haben sich etwa 50 Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums am Montessori Zentrum ANGELL Freiburg im Rahmen eines klassenübergreifenden Projektes in den vergangenen Wochen intensiv beschäftigt.
Den Auftakt bildete der Film „How much further?" den die Schülerinnen und Schüler der Klassenstufe 9 gemeinsam mit den Klassenlehrern Thomas Plapp und Bernd Winter anschauten. In dem 2012 in Griechen-land gedrehten Film steht die Situation von Flüchtlingen aus Afghanistan, Somalia und dem Sudan im Mittelpunkt. Diese sind oft Monate oder gar Jahre unterwegs, um schließlich in ein Land zu gelangen, dessen Bevölkerung selbst unter einer Wirtschaftskrise leidet und das mit der Flüchtlingsproblematik überfordert ist. Viele Flüchtlinge sehen daher keine andere Wahl, als in ein anderes Land weiterzureisen, in der Hoffnung, dort bleiben zu können.
Dass aber die Europäische Gesetzgebung es Flüchtlingen außerordentlich schwierig macht, das erstmalige Einreiseland, in diesem Fall Griechenland zu verlassen, verdeutlichten Susanne Knickmeier und Carsten Flaig von „Amnesty International" bei einem Vortrag vor den Schülerinnen und Schülern.
Frontex an den EU-Außengrenzen
Susanne Knickmeier, Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht, ging dabei zunächst einmal auf Begriffe wie „Dublin II" und die Genfer Flüchtlingskonvention ein und erklärte die Aufgaben von „Frontex" der „Europäischen Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen der Mitgliedstaaten der Europäischen Union". Durch zahlreiche Zwischenfälle sei „Frontex" in den vergangenen Jahren verstärkt in die Kritik geraten, so sind mehrere Vorfälle dokumentiert, bei denen im Rahmen von „Frontex"-Operationen Flüchtlingsboote u.a. durch Schusswaffengebrauch abgedrängt wurden (sogenannte „Push-Backs").
„Amnesty International" aber auch der Evangelische Entwicklungsdienst und „Pro Asyl" kritisieren diese Vorfälle auf hoher See, die der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte als Menschenrechtsverletzungen verurteilt hat.
Thomas Plapp, Klassenlehrer der 8c, freut sich über die Informationen der Experten: „Frau Knickmeier gelang es nicht nur, die Schülerinnen und Schüler für das Thema weiter zu sensibilisieren, sondern brachte auch Erfahrungen aus ihrer 10-jährigen Tätigkeit bei Amnesty International als Juristin und Kriminologin ein.
Doch auch die Frage, wie mit Flüchtlingen in Deutschland umgegangen wird und wie diese auf die unterschiedlichen Bundesländer aufgeteilt werden, beleuchtete Susanne Knickmeier.
Ursachen der Fluchtbewegung
Die Gründe, warum Menschen ihre Heimat überhaupt verlassen, sind vielfältig. Dass die Europäische Union teilweise selbst eine Mitverantwortung an dem wirtschaftlichen Elend, z.B. in Nordafrika hat, wurde in dem Vortrag ebenfalls deutlich. So wurde im Juli 2012 ein Abkommen zwischen der EU und Mauretanien ratifiziert, dass europäischen Schiffen unbegrenzten Zugang zu mauretanischen Territorialgewässern ermöglicht; mit jährlichen Entschädigungszahlungen von 113 Millionen Euro der teuerste Fischereivertrag der Welt. Die bestens ausgestatteten, europäischen Trawler wurden damit zur direkten Konkurrenz der lokalen Kleinfischer. Für die Fangmenge der EU-Flotte gilt zwar theoretisch eine Obergrenze von 307.400 Tonnen pro Jahr, Mauretanien fehlen die aber die notwendigen technischen und logistischen Mittel, um die europäischen Fischtrawler zu kontrollieren.
Die EU-Entschädigungszahlen stellen nun die wichtigste Einkommensquelle des Staates dar, dennoch lebt die Hälfte der mauretanischen Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze. Der Konsum von Fisch und Meeresfrüchten in Mauretanien ist in den letzten zehn weiter gesunken.
Schülerinnen und Schüler schlüpfen in die Rolle von Flüchtlingen
In einem von Carsten Flaig von der Freiburger Amnesty International Hochschulgruppe moderierten Rollenspiel versetzen sich die Schülerinnen und Schüler anschließend in die Rolle von Flüchtlingen, aber auch von Touristen und Grenzschützern.
„Gerade der unterschiedliche Blickwinkel auf die Situation von Flüchtlingen trägt wesentlich zu einer differenzierten Betrachtung bei. Die Schülerinnen und Schüler lernen dabei, dass es für jedes Problem unterschiedliche Sichtweisen gibt. Die Komplexität des Themas wurde dadurch umso deutlicher." kommentiert Ethiklehrer Bernd Winter.