Es ist ein klarer, kalter Novembertag. Die Kirchturmglocken schlagen. Ein unheimlicher schwarzer Wagen rast durch die Straßen. Menschen hetzen besinnungslos aneinander vorbei. Unter der Erdoberfläche wühlen die Tunnelarbeiter. Und am Flussufer läuft unbeschwert und traumverloren eine Gruppe von Kindern mit ihren Laternen und singt St. Martins-Lieder.
Der Fahrer des schwarzen Wagens ist gerade auf dem Weg zu seiner Geliebten. Noch ahnt er nicht, dass er gleich sein eigenes Kind überfahren wird.
Musiker des SWR Sinfonieorchesters Baden-Baden und Freiburg, der Oberstufenkurs „Literatur und Theater", Schulorchester, Schulband und Unterstufenchor: Sie alle sind Protagonisten als das Musiktheater-Stück „Das fliegende Kind" am 09. November im Montessori Zentrum ANGELL Premiere feiert. Basierend auf der Textvorlage des zeitgenössischen Dramatikers Roland Schimmelpfennig kreist das Stück um eine unfassbare Katastrophe. Und das im wahrsten Sinne des Wortes: Immer wiederkehrende Textpassagen und ein ständiger Wechsel der Sichtweisen und Stimmungen schaffen beim Zuschauer nach und nach ein immer dichter werdendes Bild des Geschehens. Dabei sind es vor allem die intensiv gesprochenen Texte, die Klänge des Orchesters, der Chöre und der Band, die Bilder in den Köpfen der Zuschauer entstehen lassen. Denn in den schlichten Kulissen aus großen schwarzen Würfeln gibt es wenig Reales zu sehen. Und dennoch wird am Ende des Abends jeder den Eindruck haben, den schwarz glänzenden Wagen gesehen zu haben, wie er durch die Straßen rast.
Beeindruckend ist an diesem Abend einiges, etwa die Ausdruckskraft der Schauspieler, die vollen Klänge und die Vielfältigkeit des Orchesters oder die kräftigen Sounds der Band. Eines aber ist besonders bemerkenswert: das Zusammenwirken so vieler Künstler an einem Projekt. Da sind einmal die Schüler des Oberstufenkurses „Literatur und Theater", die die Texte sprechen. Da ist der Unterstufenchor der Klassen 5 und 6 von Realschule und Gymnasium mit seinen Liedern zu St. Martin. Und da sind Schulorchester und SWR-Musiker die unter der musikalischen Gesamtleitung von Komponist und Konzertpianist Christoph Grund gemeinsam mit der Schulband eine Klangwelt schaffen, die von Anklängen an Gustav Mahler, über Klangfarben der neuen Musik und Punk bis hin zu Beats von The Prodigy reicht. „Dass Musiker eines weltberühmten Orchesters unsere Schüler an die Hand genommen und sie in die Neue Musik eingeführt haben, ist wirklich großartig. Und es ist phänomenal, was das Projekt bewirkt hat. Die Schüler haben einen ganz neuen Zugang zu ihren Instrumenten bekommen und richtig Freude beim Selbermachen entwickelt", so Sigrun Fritsch, die Regie bei „Das fliegende Kind" geführt hat.
Die Freude am Spielen ist dann auch deutlich bei allen Beteiligten am Abend der Aufführung zu spüren, „einem Abend der Emotionen, der Spannung und der Überraschung", wie Dr. Bernhard Domke, stellvertretender Schulleiter des Gymnasiums am Ende des Stücks sagt – und vor allem einem Abend des Klanges.